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Politik

Parteien ringen nach Bundestagswahl um Regierungsbildung

  • Veröffentlicht: 28.09.2021
  • 00:00 Uhr
  • dpa
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© Britta Pedersen/dpa

Der Wähler hat gesprochen - doch was mit dem Ergebnis anfangen? Diese Frage stellt sich am Tag nach der Bundestagswahl so manche Partei. Bei der Union ist angesichts der Wahlpleite viel von «Demut» die Rede. Was sie nicht daran hindert, doch noch auf Sieg zu setzen.

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Unmittelbar nach der Bundestagswahl mit dem Unionsdebakel und einem großen SPD-Erfolg hat das Tauziehen um die Bildung der nächsten Bundesregierung begonnen. Trotz des historisch schlechten Ergebnisses der Union warb der CDU-Vorsitzende Armin Laschet am Montag für eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP. Beide Parteien werden auch von der SPD für die Bildung einer Ampel-Koalition umworben. SPD, Grüne und FDP seien gestärkt, sagte Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit Blick auf die Zugewinne aller drei Parteien. Dies sei "der sichtbare Auftrag, den die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes formuliert haben".

"Vorsondierungen" mit den Grünen 

FDP-Chef Christian Lindner will zunächst "Vorsondierungen" mit den Grünen führen. Deren Vorsitzender Robert Habeck wies darauf hin, dass die SPD als stärkste Kraft eher dazu berechtigt sei, zuerst zu Sondierungen einzuladen. "Das hat der Souverän so gemacht, und das muss man auch ernst nehmen", sagte er in Berlin.

Ausgang der Wahl

Nach dem vorläufigen Ergebnis verbesserte sich die SPD auf 25,7 Prozent (2017: 20,5). Die CDU/CSU fiel auf 24,1 Prozent (32,9). Die Grünen legten auf 14,8 Prozent (8,9) und die FDP auf 11,5 Prozent (10,7) zu. Die AfD rutschte auf 10,3 Prozent (12,6), die Linke auf 4,9 Prozent (9,2). Dank drei gewonnener Direktmandate bleibt die Linke aber entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses im Bundestag.

Dort ändern sich die Mehrheitsverhältnisse stark. Die Sitzverteilung sieht so aus: SPD 206 (2017: 153), CDU/CSU 196 (2017: 246), Grüne 118 (67), FDP 92 (80), AfD 83 (94), Linke 39 (69). Der Südschleswigsche Wählerverband, als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit, zieht mit einem Abgeordneten ein.

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Union gibt Jamaika-Koalition noch nicht auf

In der Union mehren sich nach dem Absturz kritische Stimmen, die hart mit der Partei ins Gericht gehen. "Es sind Fehlentscheidungen in der Vergangenheit gewesen, inhaltlicher Art, in der Regierung und auch in der personellen Aufstellung", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zu den Ursachen des schlechten Ergebnisses. Auch im Wahlkampf habe es Fehler gegeben. Nötig sei jetzt ein "Innehalten" der Union. "Wenn wir weitermachen wie bisher, dann mache ich mir große Sorgen, was in vier Jahren übrig bleibt."

Die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth forderte Laschets Rücktritt. "Armin Laschet, Sie haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht. Wenden Sie weiteren Schaden von der CDU ab und treten Sie zurück", schrieb sie auf Twitter. Demuth war Chefstrategin bei Norbert Röttgen, als der sich Ende 2020 wie Laschet und Friedrich Merz für den Parteivorsitz bewarb.

Aus der Sitzung des CSU-Vorstands wurde CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt von Teilnehmern mit dem Satz zitiert, es habe bei der CDU Schwächen bei Kurs, Kampagne und beim Kandidaten gegeben. CSU-Chef Markus Söder verlangte später eine umfassende Aufarbeitung und Fehleranalyse. "Wir dürfen es nicht schönreden", sagte er in München. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigte eine "klare und schonungslose Analyse" an.

Insgesamt äußerten sich die führenden Unionspolitiker am Montag spürbar zurückhaltender als noch am Wahlabend. Von einem Anspruch auf eine Regierungsbildung war nicht mehr die Rede. Als Zweitplatzierter habe die Union keinen solchen Anspruch, sagte Söder. Laschet betonte: "Keine Partei kann aus diesem klaren Ergebnis für sich einen Regierungsauftrag ableiten. Auch wir nicht." Bundesvorstand und Präsidium der CDU seien sich aber einig, "dass wir zu Gesprächen für eine sogenannte Jamaika-Koalition bereitstehen".

SPD sieht Auftrag für Ampel-Koalition

SPD-Kanzlerkandidat Scholz setzt auf eine rasche Verständigung mit Grünen und FDP über ein neues Regierungsbündnis. "Wir werden sehr schnell mit den anderen Parteien, mit denen wir eine Regierung bilden wollen, uns abstimmen über Gesprächsverläufe", sagte er nach einer Präsidiumssitzung der SPD. "Es ist eine Fortschrittserzählung", betonte er. "Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er Jahre im Blick haben, zusammenarbeiten, kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie dafür unterschiedliche Ausgangslagen haben."

Die Sondierungen sollten nicht zu lange dauern, sondern in reguläre Koalitionsverhandlungen münden, "die auch zu Ergebnissen führen". Ganz klar sei, dass SPD, FDP und Grüne als Wahlgewinner den Auftrag dafür hätten.

Grüne verweisen auf größere Nähe zur SPD

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner bekräftigte die Präferenz seiner Partei für ein Bündnis mit der SPD. "Wir stehen einer SPD nun näher als der Union", sagte er vor einer Sitzung des Grünen-Vorstands in Berlin. "Die Wählerinnen und Wähler wollten Olaf Scholz, Armin Laschet hat schwache Werte." Trotzdem sei man bereit, "mit allen demokratischen Parteien" zu reden.

Grünen-Chef Habeck wies auch darauf hin, dass nicht unbedingt der Wahlgewinner die Regierung bilden müsse. Dafür gebe es Beispiele. "Insofern gibt es eine Logik aus dem Wahlergebnis heraus, aber keine finale Lösung in der ganzen Geschichte." Aus seiner Erfahrung mache es Sinn, dass die Parteien, die am weitesten voneinander entfernt seien, zunächst schauten, ob sie es zusammen hinbekämen, sagte Habeck zudem dem Sender NDR Info. Das seien nun mal FDP und Grüne. "Also insofern werden wir zuerst auf die FDP zugehen."

FDP will Vorsondierungen mit Grünen

Dies deckt sich mit den Vorstellungen der FDP, deren Vorsitzender Lindner sagte: "Zwischen Grünen und FDP gibt es die größten inhaltlichen Unterschiede bei den Parteien des demokratischen Zentrums, die jetzt über eine Regierungsbildung miteinander sprechen könnten." Zugleich seien FDP und Grüne die Parteien, die sich am stärksten gegen den Status quo der großen Koalition gewandt hätten. "Und deshalb ist es sinnvoll, dass diese beiden zuerst miteinander das Gespräch suchen, um zu prüfen, ob daraus bei allen Unterschieden ein fortschrittliches Zentrum einer neuen Koalition werden könnte." Lindner betonte: "Weder die Union noch die SPD stehen für Aufbruch."

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Linke-Vorsitzende wollen bleiben

Die beiden Vorsitzenden der Linken wollen nach dem drastischen Einbruch ihrer Partei im Amt bleiben. "Es geht für uns darum, dass wir die Verantwortung weiter tragen", sagte Co-Chefin Susanne Hennig-Wellsow. Ihre Mitvorsitzende Janine Wissler betonte, die Ursachen für das Ergebnis lägen tiefer, als dass dies durch Personalentscheidungen zu lösen sei. Natürlich trügen sie als Vorsitzende die Verantwortung, sagte Hennig-Wellsow. Man sei aber bereit, die Partei durch den nun bevorstehenden Prozess zu führen. "Das Schlechteste, was wir jetzt machen könnten, (wäre) uns in dieser Situation vom Acker zu machen und zu sagen, jetzt macht mal."

AfD-Führung bewertet Ergebnis unterschiedlich

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen kündigte nach den Verlusten seiner Partei eine schonungslose Analyse möglicher Fehler an. "Unter dem Strich wird man das als Erfolg nicht vermelden können", sagte er. Die AfD sei mit dem Slogan "Mut zur Wahrheit" angetreten, dazu gehöre auch, "die Dinge nicht schönzureden". Dagegen sagte die Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel, dass sie sich das Ergebnis "nicht schlecht reden lasse, von niemandem". Die AfD hatte bei der Bundestagswahl zwar Stimmen verloren. Sie wurde aber stärkste Kraft in den Ländern Sachsen und Thüringen und holte 16 Direktmandate.

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