Weitere Loslösung von Russland
Spaltung in der Orthodoxie - Ukraine gründet eigene Nationalkirche
- Veröffentlicht: 16.12.2018
- 12:22 Uhr
- Friedemann Kohler und Andreas Stein, dpa
Wenn Kirchen sich verändern, entstehen oft tiefe Risse auf Hunderte Jahre hinaus. Deshalb wehren sich Moskaus Orthodoxe gegen den Abfall der Ukraine. Doch Kiew steuert in die ersehnte kirchliche Freiheit.
Die Ukraine hat sich mit der Gründung einer eigenen orthodoxen Nationalkirche weiter von Russland gelöst. Die Bischöfe aus zwei ukrainischen orthodoxen Kirchen fassten auf einer Synode in Kiew am Samstag einen Beschluss von historischer Tragweite, denn Kirchenspaltungen sind oft über Jahrhunderte nicht mehr zu heilen.
Die Russisch-Orthodoxe Kirche wehrt sich dagegen, die Ukraine als ihr Kirchengebiet zu verlieren. Doch die oberste Autorität der weltweiten Orthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios in Istanbul, unterstützt die Loslösung der Ukraine. Er will der neuen ukrainischen Kirche und ihrem gewählten Oberhaupt Epifani am 6. Januar den Erlass über die kirchenrechtliche Eigenständigkeit (Autokephalie) überreichen.
"Tag der endgültigen Erlangung der Unabhängigkeit von Russland"
Mit dem ukrainischen Metropoliten wird Präsident Petro Poroschenko nach Istanbul reisen, um am orthodoxen Weihnachtsfest den Tomos genannten Erlass entgegenzunehmen. "Heute ist der Tag der endgültigen Erlangung der Unabhängigkeit von Russland", sagte der Präsident, als der Beschluss zur Gründung der Nationalkirche gefallen war.
200 Bischöfe, Priester und Laien tagten in der ältesten Kirche von Kiew, der mittelalterlichen Sophienkathedrale. Vor einem Mosaik der Heiligen Sophia, des christlichen Symbols der Weisheit, berieten die Würdenträger über die religiöse Zukunft der Ex-Sowjetrepublik.
Die Neugründung mit dem Namen Orthodoxe Kirche der Ukraine entstand aus dem Zusammenschluss der 1992 gegründeten Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats und der kleinen Autokephalen Kirche. Zum Oberhaupt gewählt wurde der Metropolit von Perejaslawl, Epifani (39), ein Vertrauter des bisherigen Kiewer Patriarchen Filaret.
Konflikte um Heiligtümer absehbar
Von der moskautreuen Kirche in der Ukraine nahmen nur zwei Bischöfe teil, die von ihrer eigenen Kirche sofort ausgeschlossen wurden. Die Kirche des Moskauer Patriarchats hat in der Ukraine zwar nicht die meisten Gläubigen, aber die meisten Priester, Kirchen und Klöster. Damit sind Konflikte um wichtige orthodoxe Heiligtümer wie das berühmte Höhlenkloster in Kiew absehbar.
Die Ukraine versucht seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991, sich auch kirchlich aus der Oberhoheit des Nachbarn Russland zu lösen. Der militärische und politische Druck, den Russland seit der Annexion der Halbinsel Krim 2014 auf die Ukraine ausübt, hat die Abwendung von Moskau verstärkt. In den vergangenen Monaten hat Poroschenko die Kirchenpläne vorangetrieben, weil er auf Stimmen national gesonnener Wähler bei der Präsidentenwahl im März hofft.
Die Vereinigungssynode in Kiew sei kirchenrechtlich illegal gewesen, sagte ein Sprecher des Moskauer Patriarchats. "Für uns hat dieses Ereignis keinerlei Bedeutung." Die staatstreue Russisch-Orthodoxe Kirche unter Patriarch Kirill hat sich in den vergangenen Jahren nie als überstaatlich verstanden. Sie hat immer den außenpolitischen Kurs von Präsident Wladimir Putin unterstützt und sieht die Ukraine als Teil der "russischen Welt". So werden alle Gebiete genannt, über die Russland die Herrschaft beansprucht.