Corona-Pandemie
Thüringer Weg: Erstes Land ohne Kontaktbegrenzung
- Veröffentlicht: 14.06.2020
- 16:08 Uhr
- dpa
Als 1. Bundesland hebt Thüringen die Kontaktbeschränkungen auf. Es gibt Kritik, auch im Land selbst. Mit Brandenburg zieht ab Montag ein weiteres Land nach. Der Ärztepräsident mahnt zur Vorsicht.
Angesichts niedriger Corona-Infektionszahlen gibt es in Thüringen seit Samstag keine landesweiten Kontaktbeschränkungen mehr - und in Brandenburg von diesem Montag an. Beide Bundesländer gehen als erste diesen Weg. Treffen in großer Runde sind dort wieder möglich - allerdings noch immer mit Abstand. Statt eines Verbots gibt es jetzt lediglich die Empfehlung, sich in Thüringen nicht mit mehr als einem weiteren Haushalt oder zehn weiteren Menschen zu treffen. Bislang durften sich dort nur Menschen aus maximal zwei Haushalten treffen. Bei Verstößen drohen nun nicht mehr wie in anderen Bundesländern Bußgelder.
Ramelow sorgte für Aufregung
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte vor gut drei Wochen bundesweit für Aufregung gesorgt, als er ankündigte, den Bürgern wieder mehr Eigenverantwortung zutrauen zu wollen und von Verboten zu Geboten überzugehen. Bayern hatte den Weg des Nachbarlandes "unverantwortlich" genannt, auch Hessen reagierte skeptisch. In vielen Bundesländern gelten Kontaktbeschränkungen noch bis mindestens Ende Juni.
Aalle Freiheiten haben auch die Thüringer und Brandenburger noch nicht zurück: In Bus, Bahn und Tram müssen die Menschen Masken tragen, ebenso in Geschäften und Supermärkten. Diskotheken und Bordelle bleiben geschlossen. Familienfeiern mit mehr als 30 Menschen in geschlossenen Räumen oder mehr als 75 unter freiem Himmel müssen in Thüringen bei der Kommune zwei Tage vorher angemeldet werden. Auch für Festivals stehen die Chancen nach Angaben des Landesgesundheitsministeriums eher schlecht - auch wenn es neuerdings prinzipiell möglich ist, Ausnahmegenehmigungen zu beantragen.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Land setze damit auf mehr Eigenverantwortung der Bürger. "Das ist per se nicht falsch, allerdings gehen mir die neu geschaffenen Möglichkeiten für Großveranstaltungen wie Volksfeste und Festivals doch eher zu weit." Es müsse darauf geachtet werden, dass es keine unkontrollierte Dynamik gebe. Wichtig sei, dass Länder und Kommunen schnell reagieren könnten, sagte Reinhardt. "Wir brauchen passgenaue Eindämmungsmaßnahmen vor Ort, damit wir bei einem möglichen Wiederaufflammen nicht ein ganzes Land oder ganze Regionen stilllegen müssen."
Situation weiter kritisch
Im Thüringer Kreis Sonneberg bleibt die Corona-Situation kritisch. Die Infektionsrate lag dort am Sonntag mit 33 nur knapp unter der Marke von 35 neuen Infektionen pro 100 000 Einwohnern innerhalb einer Woche. Die Zahl der bekannten Infektionen stieg über das Wochenende um 4 auf 285, wie das Landratsamt mitteilte. Deswegen setzt der Kreis nicht alle in Thüringen vorgesehenen Lockerungen um.
Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) kritisierte das Ende landesweiter Kontaktbeschränkungen als "verfrüht". Die Verordnung sei mutig, sagte er in einer Videobotschaft. "Nur ist das eine Art Mut, dessen Nachbar der Leichtsinn ist." Seine Stadt war in der Corona-Pandemie bundesweit Vorreiter bei der Maskenpflicht gewesen. "Die Disziplin vieler (...) kann durch die Nichtdisziplin einiger weniger unterlaufen und am Ende komplett ausgehebelt werden. Und wir haben keine Handhabe dagegen", erklärte er.
Am kommenden Mittwoch wollen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder erstmals seit der Hochphase der Corona-Krise wieder persönlich im Kanzleramt treffen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte angekündigt, die Länder wollten mit Merkel unter anderem über eine Strategie zur Harmonisierung der Corona-Tests verhandeln.