Keine Spur vom Regimekritiker
Uhr soll Chaschukdschi-Ermordung aufgezeichnet haben
- Veröffentlicht: 13.10.2018
- 15:18 Uhr
- dpa
Der Fall des vermissten saudischen Regimekritikers Dschamal Chaschukdschi nimmt immer groteskere Züge an. Womöglich bezeugt eine Uhr seinen Tod. Zweifel an der Version bestehen allerdings.
Der verschwundene saudische Regierungskritiker Dschamal Chaschukdschi soll seine Ermordung mit einer Apple-Computer-Uhr aufgezeichnet haben. Die große türkische Zeitung "Sabah" berichtete am Samstag, dass der Journalist noch vor Betreten des saudi-arabischen Konsulats eine Aufnahmefunktion an seiner Apple Watch eingeschaltet habe. Sein Handy, das er seiner vor dem Konsulat wartenden Verlobten gegeben habe, sei mit der Uhr an seinem Handgelenk synchronisiert gewesen. So seien die Geräusche während seiner Exekution gespeichert worden.
Der türkische Geheimdienst MIT und die Polizei hätten die Daten, die in den iCloud-Speicher übertragen wurden, dann ausgewertet, berichtete "Sabah" weiter. iCloud ist ein Dienst von Apple, mit dem Daten gespeichert und auf mehreren Geräten synchronisiert werden können.
"Die Momente, in denen sich das Attentäter-Team ... mit Chaschukdschi beschäftigt hat, wurden Minute für Minute aufgezeichnet", schreiben die Autoren. Die Täter hätten aber versucht, einige Daten zu löschen. "Sabah" beruft sich auf "vertrauenswürdige Quellen".
Saudi-Arabien weist jegliche Schuld von sich
Saudi-Arabien hatte vor Erscheinen des Berichts jegliche Mitschuld am Verschwinden des Regimekritikers bestritten. Das Königreich sieht sich nach Angaben des Innenministeriums durch falsche Anschuldigungen in ein schlechtes Licht gerückt.
Nach Veröffentlichung des "Sabah"-Artikels tauchten umgehend Zweifel an der türkischen Version auf. Unter anderem wird eine Apple-Uhr immer mit einem iPhone des Besitzers verknüpft, mit dem sie üblicherweise per Bluetooth-Funk Daten austauscht. Das Bluetooth-Signal hat eine Reichweite von einigen Metern, Chaschukdschis Verlobte müsste also mit seinem iPhone sehr nahe am Konsulatsgebäude gestanden haben, damit die beiden Geräte diese Verbindung aufrechterhalten.
Chaschukdschi könnte auch eine Version der Apple Watch getragen haben, die direkt ins Mobilfunknetz geht und Daten ohne den Umweg über das iPhone oder ein WLAN übermittelt. Auf einem Foto von Mai, das der Technologie-Blog "TechCrunch" fand, ist er mit einer solchen Uhr zu sehen. Allerdings gibt es aktuell keine türkischen Mobilfunk-Anbieter, die diese Funktion unterstützen.
Hörte der Geheimdienst das Konsulat ab?
Die Apple-Uhr hat ein Mikrofon, und es gibt diverse Apps, mit denen man prinzipiell Sprachaufnahmen auf der Apple-Uhr anfertigen und an ein iPhone oder in die iCloud übertragen kann. Meistens folgt die Übermittlung erst nach Abschluss der Aufnahme. Zugleich hätte Chaschukdschi bei bestehender Funkverbindung zu seinem Telefon, einem WLAN oder dem Mobilfunknetz auch einfach nur vor Betreten des Konsulats einen Anruf über die Uhr starten können, mit dem alle Umgebungsgeräusche übertragen worden wären.
Die Daten der Uhr könnten auch darüber hinaus Hinweise auf das Schicksal Chaschukdschis liefern, weil sie Gesundheitsinformationen wie Puls und Bewegungsaktivität aufzeichnet und übermittelt. Dafür braucht sie ebenfalls eine Funkverbindung und muss entsperrt sein. Das Gerät sperrt sich automatisch, wenn es vom Handgelenk abgenommen wird.
Der Sicherheitsexperte des US-Senders CNN, Robert Baer, vermutet, dass der türkische Geheimdienst das saudi-arabische Konsulat abgehört hat und so an die Informationen gekommen ist. "Ich glaube, so haben sie es wahrscheinlich erfahren. Aber die Türken sind sehr abgeneigt, das zuzugeben", sagte Baer.
Journalist auch unter Jamal Khashoggi bekannt
Chaschukdschi hatte am 2. Oktober das saudi-arabische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit einer Türkin abzuholen. Seither wird er vermisst. Der Journalist publizierte in westlichen Medien unter der englischen Schreibweise seines Namens, Jamal Khashoggi.
Türkische Regierungskreise streuen seit Tagen über Medien die These, dass Chaschukdschi im Konsulat ermordet worden sei. Sie geben zunehmend grausige Details preis. Als Folge tauchte immer öfter die Frage auf, wie die Ermittler zu ihren Erkenntnissen kamen und ob sie die diplomatische Vertretung womöglich mit Abhörgeräten ausspioniert hatten.
In einem Bericht der "Washington Post" hatte es unter Berufung auf die türkische Regierung in der Nacht auf Freitag noch geheißen, es gebe nicht nur Audio-, sondern auch Videoaufnahmen. Diese bewiesen, dass Chaschukdschi im Konsulat ermordet worden sei.